Kostenheranziehung für stationäre und teilstationäre Jugendhilfemaßnahmen nach §§ 91 ff. SGB VIII

Kostenbeitrag von Eltern in der Jugendhilfe

Die Kostenheranziehung von Eltern im Rahmen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII ist ein Thema, das Eltern und Jugendliche lange Zeit gleichermaßen betroffen hat.

Mit der Gesetzesänderung des SGB VIII zum Jahresanfang 2023 wurde die Kostenheranziehung für junge Menschen in der Jugendhilfe abgeschafft.

Eltern aber können nach wie vor zu den Kosten für eine jugendhilferechtliche Maßnahme, wie zum Beispiel der Heimerziehung herangezogen werden.

In diesem Blogbeitrag geht es um die Fragen, wann und in welchem Umfang dies möglich ist und ob es Ausnahmen von dieser Regelung gibt.

Vorleistungspflicht der öffentlichen Träger der Jugendhilfe

Können Kinder oder Jugendliche nicht bei ihren Eltern leben, sieht das Kinder- und Jugendhilferecht verschiedene Hilfemöglichkeiten vor. Das kann beispielsweise eine Unterbringung bei einer Pflegefamilie oder in einer sonstigen betreuten Wohnform sein. In § 91 SGB VIII werden sämtliche Maßnahmen aufgezählt, für die Kosten entstehen.

Zunächst tritt das Jugendamt dafür in Vorleistung, übernimmt also die Kosten, die für Unterbringung, Verpflegung, Erziehung und Betreuung anfallen. Erst anschließend wird geprüft, wer in welcher Höhe zu den Kosten der Hilfeleistungen herangezogen werden kann. Denn die Hilfegewährung darf anders als in anderen Gesetzen nicht vom Einkommen oder Vermögen abhängig sein.

Durch die Änderung des “Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe“ vom 21.12 2022 (BGBl I 2022, 2824), berichtigt durch G. v. 19.01.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 19), wurde die Kostenheranziehung neu geregelt und auf die Kostenheranziehung aus Einkommen auf die Eltern der jungen Menschen beschränkt.

Achtung! Bei jungen Menschen kann dennoch das Kindergeld als sogenannte zweckgleiche Leistung zur Deckung der Kosten herangezogen werden.

Eltern und die Kostenbeitragspflicht

Unter Eltern im Sinne der Vorschrift sind sowohl Eltern im leiblichen Sinne als auch Adoptiveltern zu verstehen.

Stief- und Pflegeeltern, Großeltern oder sonstige Sorgeberechtigte dürfen daher nicht zu den Kosten herangezogen werden.

Eltern können im Rahmen der SGB VIII-Leistungen unabhängig von einer bestehenden oder nicht bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltspflicht zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen werden.

Allerdings darf der Kostenbeitrag nur so hoch sein, dass der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt des Elternteils gewährleistet ist.

Eine Kostenheranziehung aus Vermögen sieht das Gesetz nicht vor.

Anforderungen an der Kostenbeitragsbescheid

Bei dem Kostenbeitragsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Der Bescheid muss nicht zwingend mit Leistungs- oder Kostenbeitragsbescheid bezeichnet sein, dafür aber hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet, dass sowohl der/die Adressat/in als auch der Betrag genau bezeichnet sein muss und innerhalb welchen Zeitraums dieser bezahlt werden muss.

Der Bescheid ist zu begründen, insbesondere muss auch erkennbar sein, weshalb nicht von einer Kostenheranziehung abgesehen wurde.

Der Kostenbetrag ist für beide Elternteile auch im Fall ihres Zusammenlebens getrennt voneinander zu ermitteln und zu erheben.

Zeitpunkt der Kostenheranziehung

Eltern können ab dem Zeitpunkt zu den Kosten herangezogen werden, ab dem sie über die Gewährung der Leistung und über die Folgen für ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Kind Menschen aufgeklärt worden sind.

Ist eine solche Mitteilung und Aufklärung unterblieben, hat dies die Rechtswidrigkeit des Kostenheranziehungsbescheides für die Vergangenheit zur Folge.

Wann Eltern nicht zu den Kosten herangezogen werden dürfen

Unterhaltspflicht gegenüber anderen

Von einer Kostenheranziehung hat das Jugendamt abzusehen, wenn dadurch Unterhaltsansprüche gegenüber vorrangig oder gleichrangig Berechtigten, zum Beispiel Geschwisterkinder, geschmälert werden.

Wenn Kinder Kinder haben

Eltern dürfen auch dann nicht zu den Kosten herangezogen werden, wenn ihr Kind (Tochter oder Sohn) selbst ein Kind unter 6 Jahren betreut oder die eigene Tochter schwanger ist.

Gefährdung der Hilfeleistung

Von der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag kann im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Eltern mit einer Beendigung der Hilfe drohen oder eine familiäre Krisensituation droht.

Besondere Härte

Auch in Fällen einer besonderen Härte, wie z. B. die Erbringung von Pflegeleistungen oder Unterhaltszahlungen an Stiefkinder können als Folge zu einem Absehen eines Kostenbeitrags führen. Ebenfalls, wenn der Verwaltungsaufwand dazu in einem unangemessenen Verhältnis steht.

Verjährung

Die Verjährung eines Kostenbeitrages richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist liegt für die Erhebung eines Kostenbeitrages drei Jahre ab Kenntnis der Kostenbeitragspflicht durch die Behörde.

Verwirkung

Grundsätzlich gibt es auch noch das Rechtsinstitut der Verwirkung. Dies setzt ein Verhalten der Behörde dahingehend voraus, dass Eltern davon ausgehen durften, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe von der Kostenheranziehung keinen Gebrauch mehr machen würde.

Ermittlung der Höhe des Einkommens

Zum Einkommen gehören bis auf ein paar Ausnahmen, wie u. a. Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

Maßgeblich ist das monatliche Durchschnittseinkommen des Vorjahres. Tatsächlich gezahlte Steuern im Sinne von § 3 AO sind ebenso wie Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen.

Von dem errechneten Betrag sind sodann Belastungen der Eltern oder des Elternteils abzuziehen. Das ist pauschal in Höhe von 25 % möglich oder individuell, wenn die Belastungen größer sind, was genau nachgewiesen werden muss.

Auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, wie Werbungskosten oder mit der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung notwendigerweise verbundenen Ausgaben, können sich mindernd auf die Kostenheranziehung auswirken.

Ist das maßgebliche Einkommen ermittelt, ist der Kostenbeitrag aus der Tabelle der Kostenbeitragsverordnung zu entnehmen.

Rechtswidrigkeit von Kostenheranziehungsbescheiden

Gegen einen Kostenbeitragsbescheid ist der Widerspruch möglich. Mehr Informationen zum Ablauf des Widerspruchsverfahrens gibt es im Blogbeitrag Widerspruch einlegen.

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