A woman wearing a pink outfit sits on a city bus in Trento, Italy, capturing urban commuting life.

Merkzeichen H oder B – was gilt für Kinder und Erwachsene?

Wer einen Schwerbehindertenausweis beantragt, stößt früher oder später auf Buchstaben wie H oder B. Die sogenannten Merkzeichen. Sie stehen für bestimmte Nachteilsausgleiche, die den Alltag erleichtern sollen. Doch oft herrscht Verwirrung darüber, was genau sie bedeuten und warum Kinder manchmal anders beurteilt werden als Erwachsene.

Dieser Beitrag erklärt, welche gesetzlichen Regeln gelten, worin die Unterschiede liegen und warum es bei jüngeren Kindern häufig zu Missverständnissen kommt.

Gesetzliche Grundlagen

H und B gehören zu den häufigsten – und zugleich zu den am meisten missverstandenen.
Während H für Hilflosigkeit steht, bedeutet B, dass eine Begleitperson beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich ist.

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, wann genau diese Merkzeichen vergeben werden, ob sie auch für Kinder gelten und wie sie sich zueinander verhalten. Besonders Eltern erleben, dass dieselbe Behinderung bei verschiedenen Ämtern unterschiedlich bewertet wird. Der folgende Beitrag erklärt, was die Gesetze tatsächlich regeln, wie die Behörden prüfen und warum die Maßstäbe für Minderjährige andere sind als für Erwachsene.

Gesetzliche Grundlagen

Die beiden Merkzeichen beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen.

H ist in § 33b Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und in § 3 Absatz 1 Nummer 2 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) geregelt.

B ergibt sich aus § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 3 Absatz 2 SchwbAwV.

Die ärztlichen Bewertungsmaßstäbe finden sich jeweils in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).

H beschreibt den alltäglichen Hilfebedarf im engeren Lebensumfeld, B betrifft die Mobilität und Orientierung im öffentlichen Raum.

Eine feste Altersgrenze nennt das Gesetz in keinem der beiden Fälle.
Bei Kindern wird aber immer geprüft, ob der Hilfebedarf wirklich durch die Behinderung und nicht nur durch das Alter entsteht.

Das Merkzeichen H

Hilflosigkeit bedeutet im rechtlichen Sinn, dass jemand für regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen des täglichen Lebens dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist.

Diese Definition steht in § 33b EStG.
Es geht um alle Bereiche, die für das Leben wesentlich sind: Körperpflege, Ankleiden, Ernährung, Bewegung, Orientierung und Kommunikation.

Hilflosigkeit kann durch körperliche, geistige oder seelische Einschränkungen entstehen. Sie liegt nicht nur dann vor, wenn jemand gepflegt werden muss, sondern auch, wenn die Person ständig angeleitet, erinnert oder beaufsichtigt werden muss. Entscheidend ist der tatsächliche Alltag, nicht die Diagnose.

Bei Erwachsenen prüfen die Versorgungsämter, wie häufig und in welchen Lebensbereichen Hilfe nötig ist und ob sie dauerhaft erforderlich bleibt. Der Pflegegrad spielt dabei keine Rolle, da Pflegeversicherung und Schwerbehindertenrecht unterschiedlichen Systemen folgen.

Bei Kindern ist der Maßstab ein anderer. Hilflosigkeit liegt nur vor, wenn ein Kind deutlich mehr Unterstützung braucht als ein nichtbehindertes Kind gleichen Alters. Das steht ausdrücklich in der Versorgungsmedizin-Verordnung. Altersübliche Hilfe, wie beim Waschen oder Essen im Vorschulalter, zählt nicht.

Mit zunehmendem Alter steigen die Anforderungen an Selbstständigkeit. Gleichzeitig kann ein zehnjähriges Kind, das ohne Anleitung weder isst noch sich anzieht, als hilflos gelten. Ein dreijähriges Kind, das Hilfe beim Zähneputzen braucht, nicht. Bei Jugendlichen gilt Hilflosigkeit meist dann, wenn ohne dauernde Begleitung kein geregelter Tagesablauf möglich ist.

Das Merkzeichen B

Das Merkzeichen B wird vergeben, wenn jemand wegen seiner Behinderung beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe benötigt. Rechtsgrundlage ist § 229 Absatz 2 SGB IX. B berechtigt zur unentgeltlichen Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Das Merkzeichen schafft also keine Pflicht zur Begleitung, sondern eine rechtliche Möglichkeit.

Bei Erwachsenen wird geprüft, ob eine Person beim Ein- oder Aussteigen, beim Umsteigen oder bei der Orientierung regelmäßig Hilfe benötigt. Typische Fälle sind Menschen mit starker Sehbehinderung, mit körperlichen Einschränkungen oder mit geistigen oder seelischen Behinderungen, die sich in fremder Umgebung nicht sicher bewegen können.

In der Verwaltungspraxis wird B so gut wie immer nur zusammen mit einem anderen Merkzeichen vergeben – meist mit G, aG, H oder Bl. Das ist rechtlich nicht zwingend vorgeschrieben, hat sich aber etabliert, weil diese anderen Merkzeichen bereits eine erhebliche Einschränkung der Bewegungs- oder Orientierungsfähigkeit belegen.

Bei Minderjährigen gilt ein zusätzlicher Maßstab. Jüngere Kinder brauchen ohnehin Begleitung; das ist altersbedingt und noch kein Grund für das Merkzeichen B. Entscheidend ist, ob der Begleitbedarf wirklich aus der Behinderung folgt.

So kann ein fünfjähriges blindes Kind das Merkzeichen B erhalten, weil die Begleitung unabhängig vom Alter notwendig ist. Ein gleichaltriges Kind mit leichter Entwicklungsverzögerung wird B dagegen in der Regel nicht bekommen, weil die Begleitung in diesem Alter ohnehin erforderlich wäre.

Mit zunehmendem Alter lässt sich der Unterschied besser erkennen. Wenn Gleichaltrige ihren Schulweg allein bewältigen können, ein behindertes Kind dies aber wegen seiner Einschränkungen nicht schafft, kann B zuerkannt werden. Gerichte haben diese Praxis bestätigt. So erhielt ein fünfjähriges blindes Kind das Merkzeichen B, während bei einem sechsjährigen Kind, das nur allgemeine Aufsicht brauchte, der Antrag abgelehnt wurde.

Der Unterschied zwischen H und B

H betrifft den gesamten Alltag: den Umgang mit sich selbst, die Fähigkeit, sich zu versorgen und den Tag zu strukturieren.

B betrifft dagegen die Teilhabe außerhalb des Hauses: die Fähigkeit, sich sicher im öffentlichen Raum zu bewegen.

Beide Merkzeichen können nebeneinander bestehen, wenn sowohl im Alltag als auch unterwegs ein dauernder Hilfebedarf besteht. Sie schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander.

Gibt es Voraussetzungen zwischen den Merkzeichen?

H kann unabhängig von anderen Merkzeichen festgestellt werden.
Beim Merkzeichen B ist die Lage etwas anders. Das Gesetz schreibt zwar keine ausdrückliche Verbindung zu anderen Merkzeichen vor, doch in der Praxis wird B in der Regel nur zusammen mit G, aG, H oder Bl vergeben. Diese dienen als Nachweis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungs- oder Orientierungsfähigkeit vorliegt, die den Begleitbedarf begründet.

Ausnahmen sind möglich, aber selten. B kann auch ohne diese Merkzeichen zuerkannt werden, wenn der behinderungsbedingte Begleitbedarf zweifelsfrei belegt ist, etwa bei schweren geistigen oder psychischen Einschränkungen. In solchen Fällen muss der Bedarf besonders genau beschrieben und durch Unterlagen nachgewiesen werden.

Was Eltern beachten sollten

Bei Kinder ist immer entscheidend, wie groß der Unterschied zu Gleichaltrigen ist. Die Behörden prüfen, ob der Hilfebedarf wirklich durch die Behinderung entsteht. Deshalb sollte ein Antrag nicht nur Diagnosen enthalten, sondern den Alltag konkret beschreiben.

Formulierungen wie „Mein Sohn ist neun Jahre alt und benötigt beim Anziehen täglich Hilfe, weil er sich motorisch nicht selbst organisieren kann“ sind hilfreicher als allgemeine Aussagen. Auch kurze Aufzeichnungen darüber, wann und wobei Hilfe nötig ist, können den Antrag stützen.

Wird ein Antrag abgelehnt, lohnt es sich, den Bescheid genau zu lesen. Häufig liegt der Grund in einem falschen Altersvergleich oder darin, dass die behinderungsbedingte Ursache nicht klar genug dargestellt wurde. Ein begründeter Widerspruch kann in solchen Fällen erfolgreich sein.

Fazit

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen H und B gelten für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Unterschiede ergeben sich aus der Bewertung: Bei Kindern wird der altersübliche Hilfebedarf herausgerechnet, bei Erwachsenen nicht.

H beschreibt Hilflosigkeit im Alltag.
B beschreibt den Bedarf an Begleitung beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel.

Für Kinder gilt: Je älter sie werden, desto genauer prüfen die Behörden, ob der Hilfebedarf noch altersgerecht oder bereits behinderungsbedingt ist. Bei sehr jungen Kindern wird B nur in Ausnahmefällen vergeben – etwa bei Blindheit oder anderen schweren Beeinträchtigungen, die eindeutig über das „normale“ Maß hinausgehen.

Entscheidend ist immer der Grund der Hilfe, nicht das Alter selbst. Wer das im Antrag klar beschreibt, schafft die besten Voraussetzungen für eine richtige und gerechte Entscheidung.

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