Sie haben den Antrag gestellt, Sie haben gewartet – und dann kam er: Der Ablehnungsbescheid.
Vielleicht nur ein paar Seiten lang, aber mit umso größerer Wirkung.
Kein GdB.
Oder: GdB 20 statt 50.
Der Bescheid fühlt sich an wie ein Schlag in den Magen – besonders, wenn Sie wissen, wie sehr die Einschränkungen Sie oder Ihr Kind im Alltag betreffen.
Viele geben an diesem Punkt auf.
Dabei lohnt es sich, weiterzugehen. Mit einem gut begründeten Widerspruch lässt sich viel bewegen – wenn man gezielt auf die Begründungen des Amtes eingeht, eigene Akzente setzt und medizinisch wie rechtlich überzeugend argumentiert.
In diesem Artikel zeige ich Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie mit Ihrem Widerspruch Gehör finden – und warum es sich lohnt, dran zu bleiben.
Was bedeutet ein Ablehnungsbescheid – und was prüft das Amt?
Ein GdB (Grad der Behinderung) wird nicht nach Gefühl, sondern nach festen Vorgaben festgestellt.
Grundlage ist die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Darin sind für viele Erkrankungen und Einschränkungen sogenannte Bewertungsrahmen hinterlegt.
Das Amt prüft:
- Welche Gesundheitsstörungen liegen vor?
- Wie wirken sich diese im Alltag aus?
- Und wie stark ist die Funktionsbeeinträchtigung?
Entscheidend ist nicht nur die Diagnose, sondern deren tatsächliche Auswirkungen auf Körper, Psyche, Alltag und Teilhabe.
Typische Ablehnungsgründe – und was sie bedeuten
Ein paar Klassiker aus der Praxis:
„Es liegt keine relevante Teilhabeeinschränkung vor.“
→ Das Amt erkennt die Diagnose an, sieht aber keine Auswirkungen auf den Alltag, die einen GdB rechtfertigen.
„Die Beschwerden bestehen nur gelegentlich.“
→ Häufig bei Migräne, Depressionen oder anderen chronischen Erkrankungen mit Schüben – das Amt geht dann von Einzelfällen aus, nicht von Dauerbelastung.
„Die Erkrankung ist gut behandelt.“
→ Klingt wie ein Kompliment – bedeutet aber oft: Kein GdB mehr nötig, weil z. B. Medikamente gut wirken.
Wichtig zu wissen: Diese Begründungen können überprüft und durch ärztliche Stellungnahmen, Alltagsschilderungen und gezielte Argumentation korrigiert werden.
So legen Sie erfolgreich Widerspruch ein – 5 Schritte
1. Frist im Blick behalten
Sie haben einen Monat Zeit ab Zugang des Bescheids. Der Zugang wird in der Regel 3 Tage nach dem Bescheiddatum angenommen – es sei denn, Sie können etwas anderes belegen.
→ Tipp: Legen Sie vorsorglich Widerspruch ein, auch wenn Sie noch keine Begründung formuliert haben. So sichern Sie die Frist.
2. Bescheid genau lesen
Markieren Sie:
- Welche Gesundheitsstörungen wurden anerkannt?
- Welche wurden ignoriert?
- Welche Begründung steht drin?
→ Häufig fehlen Diagnosen oder Einschränkungen – das ist oft ein Ansatzpunkt.
3. Begründung sachlich formulieren
Vermeiden Sie: „Das ist eine Frechheit!“
Besser: Ruhig, klar, nachvollziehbar schreiben.
Was zählt:
- Ihre individuelle Belastung (Alltag, Arbeit, Sozialleben)
- Ärztliche Befunde (nicht nur Diagnosen!)
- Konkrete Beispiele: „Ich kann nicht ohne Begleitung einkaufen.“ – „Mein Kind schläft kaum durch.“
4. Ergänzende Unterlagen beifügen
Günstig sind:
- Detaillierte Arztberichte mit Funktionseinschränkungen
- Tagebuchauszüge oder Eigenberichte
- Schulberichte, psychologische Gutachten, Reha-Berichte
Weniger hilfreich:
- Zwei Zeilen Atteste („XY hat Migräne“)
- Belege ohne Bezug zur Einschränkung
5. Formalia einhalten
Der Widerspruch muss:
- schriftlich, unterschrieben (oder elektronisch) beim Amt eingehen
- Name, Aktenzeichen, Datum enthalten
- idealerweise mit einer Kopie des Bescheids verknüpft werden
Drei häufige Denkfehler – und was Sie besser machen können
- „Ich habe ja die Diagnose – das reicht.“
Leider nein. Entscheidend ist die Auswirkung im Alltag. Schildern Sie sie konkret. - „Ich warte lieber ab, ob es schlimmer wird.“
Wenn Sie warten, verfallen Fristen. Lieber Widerspruch einlegen – notfalls zurückziehen. - „Ich muss das alles alleine schreiben.“
Nein. Sie dürfen sich beraten oder vertreten lassen – durch einen Anwalt, eine Beratungsstelle oder den VdK/SoVD.
Fazit: Sie haben mehr Einfluss, als Sie denken
Ein Ablehnungsbescheid ist nicht das Ende – oft ist es nur der Anfang eines gut begründeten zweiten Anlaufs.
Mit Klarheit, guter Dokumentation und einer ruhigen, sachlichen Sprache können Sie die Chancen auf einen erfolgreichen Widerspruch deutlich erhöhen.
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