A young girl in a bright classroom engaged in a creative arts and crafts project at a table.

Integrationskraft im Kindergarten beantragen – Rechte, Voraussetzungen und Verfahren

Kinder sind unterschiedlich – und das ist gut so. Doch manche Kinder brauchen im Kindergarten zusätzliche Unterstützung, um am Alltag teilhaben zu können: etwa, weil sie sich schwer konzentrieren können, besondere emotionale Begleitung brauchen oder im sozialen Miteinander noch Unterstützung benötigen. In solchen Fällen kann eine Integrationskraft (auch: Kita-Assistenz oder Eingliederungshilfe im Kindergarten) helfen.

Viele Eltern fragen sich, wann ihr Kind Anspruch auf eine Integrationskraft hat, wie der Antrag gestellt wird und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Dieser Beitrag erklärt ausführlich und rechtssicher, wann und wie eine Integrationskraft bewilligt wird, welche gesetzlichen Grundlagen gelten und worauf Eltern achten sollten.

1. Was ist eine Integrationskraft im Kindergarten?

Eine Integrationskraft ist eine personalisierte Unterstützung für Kinder, die aufgrund einer (drohenden) seelischen oder anderen Behinderung im Kita-Alltag auf Hilfe angewiesen sind. Ziel ist die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, also die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Kindern zu spielen, zu lernen und sich zu entwickeln.

Die Integrationskraft unterstützt das Kind individuell – je nach Bedarf etwa beim:

  • Aufbau sozialer Kontakte,
  • Bewältigen von Übergängen im Tagesablauf,
  • Umgang mit Reizen, Konflikten oder Stress,
  • Förderung von Selbstständigkeit und Orientierung im Gruppenalltag,
  • oder bei körperlichen Einschränkungen auch in praktischen Dingen.

Wichtig ist: Die Integrationskraft ersetzt keine pädagogische Fachkraft und ist auch keine Therapieform. Sie ist Teil der Eingliederungshilfe – also einer sozialrechtlichen Leistung, die das Ziel hat, Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

2. Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für Integrationshilfen im Kindergarten ergeben sich aus dem Zusammenspiel von SGB VIII (Kinder- und Jugendhilferecht) und SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen).

a) Seelische Behinderung: § 35a SGB VIII

Wenn bei einem Kind eine seelische Behinderung vorliegt oder droht, ist das Jugendamt zuständig. Grundlage ist § 35a SGB VIII.
Hierzu zählen z. B.:

  • Autismus-Spektrum-Störung,
  • ADHS,
  • emotionale Störungen, Angst- oder Zwangsstörungen,
  • posttraumatische Belastungsstörung,
  • depressive oder tiefgreifende Entwicklungsstörungen.

Voraussetzung ist, dass die seelische Beeinträchtigung zu einer Teilhabeeinschränkung führt oder führen kann – also dass das Kind ohne Unterstützung im Kindergarten nicht gleichberechtigt teilhaben kann.

b) Körperliche oder geistige Behinderung: SGB IX

Liegt dagegen eine körperliche oder geistige Behinderung vor, greift das Recht der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX.
In diesem Fall ist in Hessen regelmäßig der örtliche Träger der Eingliederungshilfe (meist das Sozialamt bzw. der Landeswohlfahrtsverband Hessen) zuständig.

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) hat die Zuständigkeit klar geregelt:
Das SGB XII ist seit der Reform nicht mehr einschlägig, weil die Eingliederungshilfe vollständig in das SGB IX integriert wurde.

c) Ziel beider Rechtsgrundlagen

In beiden Fällen – ob Jugendamt (SGB VIII) oder Eingliederungshilfeträger (SGB IX) – steht dasselbe Ziel im Mittelpunkt:
Kinder mit (drohender) Behinderung sollen die gleichen Chancen auf Bildung, Entwicklung und soziale Teilhabe haben wie andere Kinder auch.

3. Wann besteht ein Anspruch auf eine Integrationskraft?

Ein Anspruch auf eine Integrationskraft besteht, wenn:

  1. eine Behinderung oder drohende Behinderung vorliegt (seelisch, geistig oder körperlich),
  2. diese zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft führt, und
  3. die Hilfe erforderlich und geeignet ist, um die Teilhabe im Kindergarten zu sichern.

Es genügt nicht, dass ein Kind einfach „mehr Aufmerksamkeit“ braucht. Die Teilhabeeinschränkung muss sich objektiv auf den Alltag in der Kita auswirken – etwa, wenn das Kind:

  • nicht am Gruppengeschehen teilnehmen kann,
  • regelmäßig überfordert oder überreizt ist,
  • in Konfliktsituationen intensive Unterstützung braucht,
  • oder ohne Hilfe von einer Ausgrenzung bedroht wäre.

4. Voraussetzungen und Nachweise

Damit das Jugendamt oder der Träger der Eingliederungshilfe die Maßnahme bewilligen kann, müssen mehrere Voraussetzungen nachgewiesen werden.

a) Ärztliche oder psychologische Stellungnahme

Zentral ist die fachärztliche oder psychologische Einschätzung, dass eine (drohende) Behinderung im Sinne des Gesetzes vorliegt und dass das Kind im Kita-Alltag dadurch wesentlich beeinträchtigt ist.
Diese Stellungnahme kann stammen von:

  • einer Kinder- und Jugendpsychiaterin,
  • einem Psychotherapeuten,
  • einer Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Entwicklungsdiagnostik,
  • oder einem sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ).

Wichtig: Es reicht nicht aus, dass eine Diagnose besteht. Die Stellungnahme muss den Bezug zur Teilhabe herstellen – also konkret beschreiben, wie sich die Beeinträchtigung im Alltag auswirkt.

b) Pädagogische Einschätzung der Kita

Die Kindertagesstätte spielt eine wichtige Rolle. Sie muss schriftlich bestätigen, dass das Kind ohne Unterstützung nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen kann.
Diese sogenannte pädagogische Stellungnahme beschreibt:

  • die aktuelle Entwicklung des Kindes,
  • beobachtete Schwierigkeiten im Gruppengeschehen,
  • bereits unternommene pädagogische Maßnahmen,
  • und warum zusätzliche Hilfe erforderlich ist.

Diese Stellungnahme hat erhebliches Gewicht, weil sie die tatsächlichen Teilhabebedingungen beschreibt.

c) Antrag auf Eingliederungshilfe

Der Antrag wird schriftlich beim zuständigen Träger gestellt:

  • bei seelischer Behinderung → Jugendamt (§ 35a SGB VIII),
  • bei körperlicher oder geistiger Behinderung → Eingliederungshilfeträger (SGB IX).

Der Antrag sollte enthalten:

  • eine kurze Beschreibung der Situation,
  • die fachärztliche Stellungnahme,
  • die pädagogische Einschätzung,
  • und ggf. ein formloses Anschreiben mit Bitte um Überprüfung des Anspruchs.

5. Das Hilfeplanverfahren

Nach Eingang des Antrags prüft die Behörde, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.
Im Regelfall wird ein Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII (bzw. analog im SGB IX) durchgeführt. Dabei werden Eltern, Fachkräfte der Kita und ggf. medizinische oder psychologische Fachstellen einbezogen.

Ziel ist eine personenzentrierte Bedarfsermittlung: Welche Unterstützung braucht das Kind konkret, um teilhaben zu können?

Ergebnis des Verfahrens ist eine Leistungsentscheidung, die Art, Umfang und Dauer der Hilfe festlegt – z. B. eine Integrationskraft für 30 Stunden pro Woche über ein Kindergartenjahr.

6. Auswahl und Einsatz der Integrationskraft

Die konkrete Organisation variiert je nach Kommune und Trägerstruktur.
Üblicherweise beauftragt das Jugendamt einen freien Träger mit der Durchführung (z. B. Lebenshilfe, Caritas, AWO oder spezialisierte Integrationsdienste).

Die Integrationskraft arbeitet eng mit den pädagogischen Fachkräften der Kita zusammen, bleibt aber dem Kind zugeordnet. Sie ist keine zusätzliche Erzieher:in, sondern eine individuelle Begleitung mit klar abgegrenztem Auftrag: Teilhabe ermöglichen, nicht Betreuung ersetzen.

7. Ablehnung und Rechtsmittel

Wird der Antrag abgelehnt, sollte der Bescheid sorgfältig geprüft werden.
Häufige Ablehnungsgründe sind:

  • „Der Förderbedarf könne durch die Kita selbst abgedeckt werden.“
  • „Die Voraussetzungen einer seelischen Behinderung seien nicht erfüllt.“
  • „Die Teilhabeeinschränkung sei nicht erheblich genug.“

Gegen eine solche Entscheidung können Eltern Widerspruch einlegen.
Der Widerspruch sollte innerhalb eines Monats erfolgen und die Begründung der Behörde sachlich und fachlich fundiert entkräften.
Bleibt die Behörde bei ihrer Entscheidung, kann Klage beim Sozial- oder Verwaltungsgericht erhoben werden.

In dringenden Fällen – etwa, wenn das Kind sonst ohne Begleitung bleiben würde – kann zusätzlich einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden, um eine vorläufige Bewilligung zu erreichen.

8. Bedeutung für Eltern und Einrichtungen

Die Integrationskraft ist kein Luxus, sondern ein Rechtsanspruch auf Teilhabe.
Sie sichert, dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen gleiche Chancen im Kindergarten haben wie andere Kinder.

Auch für Einrichtungen ist die Unterstützung wichtig: Sie entlastet pädagogische Fachkräfte und ermöglicht einen inklusiven Alltag, der für alle Kinder bereichernd ist.

Wenn die fachlichen Voraussetzungen vorliegen, muss die Hilfe bewilligt werden.
Finanzielle Erwägungen, Personalmangel oder organisatorische Schwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dass ein Kind von der Teilhabe ausgeschlossen wird.

FAQ: Häufige Fragen zur Integrationskraft im Kindergarten

Wer bezahlt die Integrationskraft?

Die Kosten trägt der zuständige Träger der Eingliederungshilfe – in der Regel das Jugendamt (bei seelischer Behinderung) oder das Sozialamt bzw. der Landeswohlfahrtsverband (bei körperlicher/geistiger Behinderung). Für Eltern ist die Leistung kostenfrei.

Wie lange dauert die Bewilligung?

Die Bearbeitungszeit hängt vom Träger ab. In der Praxis dauert das Verfahren meist zwischen vier und zwölf Wochen. In dringenden Fällen kann ein Eilantrag gestellt werden.

Muss die Kita einverstanden sein?

Die Zustimmung der Kita ist wichtig, aber keine zwingende Voraussetzung.
Wenn alle gesetzlichen Kriterien erfüllt sind, darf die Bewilligung nicht an das Einverständnis der Einrichtung gekoppelt werden.

Kann die Integrationskraft gewechselt werden?

Ja. Wenn sich zeigt, dass die Zusammenarbeit nicht gelingt oder der Bedarf sich verändert, kann der Träger einen Wechsel prüfen oder eine neue Fachkraft einsetzen.

Gilt der Anspruch auch in einer privaten Kita?

Ja. Der Anspruch besteht unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtung, sofern sie geeignet ist, die Hilfe umzusetzen.

Wann endet die Bewilligung?

Die Bewilligung wird oft befristet ausgesprochen, meist für ein Kindergartenjahr. Das ist nicht korrekt, denn es muss regelmäßig, etwa alle 6 bis 12 Monate überprüft werden, ob der Bedarf fortbesteht.

Fazit

Eine Integrationskraft kann für Kinder mit besonderen Bedürfnissen den entscheidenden Unterschied machen – zwischen Überforderung und Teilhabe, zwischen Rückzug und Entwicklung.
Das Recht auf Unterstützung ist gesetzlich verankert und darf nicht aus Haushaltsgründen oder organisatorischen Hürden verwehrt werden.

Eltern sollten sich frühzeitig informieren, Unterlagen sorgfältig vorbereiten und den Antrag klar begründen. So lässt sich sicherstellen, dass jedes Kind die Unterstützung erhält, die es braucht, um seinen Platz in der Gemeinschaft zu finden.

Nach oben scrollen