Das Widerspruchsverfahren

Gegen Entscheidungen einer Behörde, sogenannte Verwaltungsakte, ist der Widerspruch möglich, wenn Sie mit einer Entscheidung ganz oder auch nur zum Teil nicht einverstanden sind.

Das Widerspruchsverfahren wird auch Vorverfahren genannt, weil es in den meisten Bundesländern vor einem Klageverfahren durchgeführt werden muss.

Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens ist die nochmalige Überprüfung der Entscheidung durch die Behörde.

Auch wenn ein Widerspruch nicht begründet werden muss, ist es durchaus empfehlenswert zu erläutern, mit was genau und warum man nicht einverstanden ist.

Ablauf Widerspruchsverfahren

Zuständige Behörde

Das Widerspruchsverfahren dient der Selbstkontrolle der Verwaltung.

Die Behörde erhält durch den Widerspruch die Gelegenheit, ihre Entscheidung zu überdenken und ggfs. zu korrigieren.

Dies gilt für die sogenannte Ausgangsbehörde: Das ist die Behörde, die den Bescheid erlassen hat.

Beispiel: Ein Antrag auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII wurde abgelehnt oder ein Bescheid nach § 34 SGB VIII durch das Jugendamt als Ausgangsbehörde aufgehoben, weil der junge Mensch angeblich nicht mitgewirkt hat.

Dies gilt auch für die Widerspruchsbehörde.

Bei dieser handelt es sich um die nächsthöhere Behörde, die als neutrale Behörde den Verwaltungsakt der Ausgangsbehörde überprüfen soll.

In diesem Zusammenhang erhalten Widerspruchsführer:innen – je nach Bundesland – die Gelegenheit, ihre Ansicht vor dem Anhörungsausschuss vorzutragen.

Hier besteht die Möglichkeit das Verfahren noch gütlich, also außergerichtlich zu beenden, in dem z. B. ein Vergleich abgeschlossen wird.

Ist keine Einigung möglich, gibt der/die Vorsitzende des Ausschusses eine Empfehlung an den Rechtsausschuss ab. Dort wird dann über den Widerspruch entschieden.

Gegen diese Entscheidung ist die Klage möglich, wenn dem Widerspruch nicht “abgeholfen” wurde und es daher bei der Entscheidung der Ausgangsbehörde bleibt.

Form

Der Widerspruch ist formlos möglich. Das bedeutet, er kann schriftlich, also

  • per Post oder
  • per Fax

eingelegt werden.

Eine einfache E-Mail reicht nicht aus!

Es sei denn die Behörde hat in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit der Einlegung mittels (qualifizierter) E-Mailsignatur hingewiesen.

Auch eine Protokollierung des Widerspruchs

  • vor Ort

ist möglich.

In diesem Fall ist es empfehlenswert, sich eine Kopie des Protokolls geben zu lassen.

Frist

Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Grundsätzlich gilt ein Bescheid innerhalb von 4 Tagen nach Postaufgabe als Bekanntgegeben. Im Einzelfall kann es auch hier schon zu erheblichen Problemen kommen, die an dieser Stelle aber vernachlässigt werden.

Enthält der Verwaltungsakt keine oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung, haben Sie 1 Jahr Zeit, um den Widerspruch einzulegen.

Der Widerspruch kann fristwahrend auch bei jeder anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger (im Ausland auch bei deutschen Konsularbehörden) eingereicht werden.

Bei Fristversäumung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert den Widerspruch gleich bei der “richtigen” Behörde einzureichen. Oft wird das Verfahren sonst unnötig verzögert.

Aufschiebende Wirkung

Der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt der Behörde entfaltet eine sogenannte aufschiebende Wirkung.

Das bedeutet, dass der Verwaltungsakt solange nicht umgesetzt werden darf, bis abschließend über den Widerspruch entschieden worden ist.

Von dem Grundsatz der aufschiebenden Wirkung gibt es 3 Ausnahmen:

  1. Bei Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben.
  2. Wenn die aufschiebende Wirkung durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Das ist z. B. im SGB II der Fall.
  3. Wenn die Behörde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet hat.

In diesen Fällen haben Sie die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung von einem Gericht anordnen oder wiederherstellen zu lassen.

Verbot der reformatio in peius

Was bedeutet das? Nach allgemein herrschender Meinung dürfen Widerspruchsführer:innen durch das Widerspruchsverfahren nicht schlechter gestellt werden.

Die Behörde darf also keine ungünstigere Entscheidung aufgrund des Widerspruchs treffen. Eine nachteilige Entscheidung ist aber dennoch in den Grenzen von §§ 45, 48 SGB X möglich, wenn die Widerspruchsbehörde z. B. zur Rücknahme des Ursprungsbescheides befugt ist.

Beispiel: Es wurde zu viel Pflegegeld nach § 33 SGB VIII berechnet. Der entsprechende Bescheid war günstig aber rechtswidrig und kann von der Behörde korrigiert werden.

Abhilfeentscheidung

Teilt die Behörde die Argumente im Widerspruch, wird sie dem Widerspruch “abhelfen”.

Der Widerspruch ist also erfolgreich gewesen.

Widerspruchsbescheid

Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht oder nur in Teilen ab, muss ein schriftlicher (Teil-)Widerspruchsbescheid durch die Behörde erlassen und begründet werden.

Der Widerspruchsbescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten sowie die Frist und die Angabe des zuständigen Gerichts, bei dem Klage eingelegt werden kann.

Kosten des Verfahrens

Wurde dem Widerspruch abgeholfen, hat die Behörde auch die Kosten zu erstatten, die für die Einlegung des Widerspruchs entstanden sind.

Dazu gehören zum Beispiel die Rechtsanwaltskosten, wenn Sie sich einen Rechtsbeistand für den Widerspruch gesucht haben.

Aber auch die eigenen Kosten, wie z. B. Fahrtkosten zum Anhörungsausschuss können erstattet werden.

In beiden Fällen ist ein formloser Antrag auf Erstattung der Kosten zu stellen.

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