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ToggleEin Rechtsprechungsüberblick 2025 – und was betroffene Eltern daraus für ihren Antrag im Jahr 2026 mitnehmen können
Die nachfolgend dargestellten Entscheidungen betreffen überwiegend Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Sie ersetzen keine Hauptsacheentscheidung, zeigen aber sehr deutlich, welche Anforderungen Gerichte aktuell an Anträge auf Schulbegleitung stellen – und woran diese in der Praxis scheitern oder erfolgreich sind.
1. Schulbegleitung ist keine feste Leistungsform, sondern eine bedarfsbezogene Ausgestaltung von Hilfe
VG München, Beschluss vom 13.08.2025 – M 18 E 25.4555
Das Gericht stellt klar, dass § 35a SGB VIII keinen Anspruch auf eine bestimmte Hilfeform begründet. Entscheidend ist allein, ob der festgestellte Eingliederungsbedarf durch eine geeignete und erforderliche Maßnahme gedeckt wird.
Der Jugendhilfeträger verfügt insoweit über einen pädagogischen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Im konkreten Fall hielt das Gericht eine durchgehende Begleitung im schulischen Kontext für erforderlich, sah diese aber vorläufig auch durch eine bereits bewilligte Erziehungsbeistandschaft als abgedeckt an.
Was Betroffene daraus lernen können:
Es genügt nicht, pauschal „Schulbegleitung“ zu beantragen.
Erfolgreich sind Anträge, die konkret beschreiben, wer das Kind wie, wann und in welchen schulischen Situationen begleiten muss – und warum andere Hilfen diesen Bedarf nicht abdecken.
Medizinische Stellungnahmen binden das Jugendamt nicht – dürfen aber nicht ignoriert werden
VG München, Beschluss vom 05.09.2025 – M 18 E 25.5252
Die Feststellung einer seelischen Behinderung obliegt gemäß § 35a Abs. 1a SGB VIII medizinischen Fachkräften.
Die Feststellung der (drohenden) Teilhabebeeinträchtigung hingegen ist ein voll gerichtlich überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff, bei dem kein Beurteilungsspielraum des Jugendamts besteht.
Das Gericht rügt hier ausdrücklich, dass sich der Träger nicht inhaltlich mit den fachärztlichen und schulischen Stellungnahmen auseinandergesetzt hat.
Was Betroffene lernen können:
Gutachten wirken nur, wenn sie konkret auf den Schulalltag bezogen werden.
Eltern sollten im Antrag oder Widerspruch wörtlich auf relevante Passagen verweisen und erläutern, wie sich die beschriebenen Einschränkungen in Schule auswirken.
Förderschule bedeutet nicht automatisch: keine Schulbegleitung
VG Bayreuth, Beschluss vom 09.09.2025 – B 8 E 25.934
Das Gericht betont den Vorrang schulischer Fördermaßnahmen bei Förderschulen.
Eine Schulbegleitung kommt dort nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich der Beurteilungsspielraum des Jugendamts auf eine einzige geeignete Maßnahme verdichtet.
Im Eilverfahren sah das Gericht diese Verdichtung noch nicht als gegeben an.
Was Betroffene lernen können:
An Förderschulen muss besonders genau dargelegt werden, warum auch die sonderpädagogische Ausstattung nicht ausreicht.
Pauschale Hinweise auf Diagnosen genügen nicht.
Ohne Anordnungsgrund kein Eilrechtsschutz – auch bei Schulbegleitung
Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 23.09.2025 – 15 B 89/25
Im einstweiligen Rechtsschutz ist nicht nur der Anspruch, sondern auch die Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen.
Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt der Anordnungsgrund regelmäßig, wenn die Eltern die Maßnahme vorübergehend selbst finanzieren können.
Was Betroffene lernen können:
Im Eilverfahren immer auch darlegen:
- konkrete Kosten der Schulbegleitung,
- warum eine Vorfinanzierung wirtschaftlich unzumutbar ist.
Ohne diese Angaben scheitert der Antrag – selbst bei bestehendem Bedarf.
Auch bei begehrter Sachleistung kann Vorfinanzierung relevant sein
OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.09.2025 – 2 ME 118/25
Das OVG stellt klar, dass der Maßstab der Vorfinanzierbarkeit nicht auf Kostenübernahmeansprüche beschränkt ist, sondern auch bei erstmalig begehrten Sachleistungen gelten kann.
Was Betroffene lernen können:
Der Hinweis „Wir beantragen eine Sachleistung, keine Kostenübernahme“ schützt nicht vor der Prüfung des Anordnungsgrundes.
Auch organisatorische und faktische Unmöglichkeiten der Vorfinanzierung sollten substantiiert vorgetragen werden.
Schulbegleitung kann medizinische Behandlungspflege sein – dann ist die Krankenkasse zuständig
SG Frankfurt, Beschluss vom 03.11.2025 – S 14 KR 445/25 ER
Bei einem insulinpflichtigen Diabetes handelt es sich nicht um Eingliederungshilfe, sondern um Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V.
§ 37c SGB V (außerklinische Intensivpflege) ist nur bei besonders hohem Pflegebedarf einschlägig.
Was Betroffene lernen können:
Vor Antragstellung unbedingt klären, ob der Unterstützungsbedarf pädagogisch oder medizinisch geprägt ist.
Falsche Zuständigkeitsadressierung kostet Zeit – und gefährdet Eilverfahren.
Keine außerklinische Intensivpflege bei schulischer Diabetesbegleitung
LSG NRW, Beschluss vom 21.11.2025 – L 10 KR 673/25 B ER
Das LSG bestätigt:
Durchgehende Schulbegleitung bei Diabetes kann erforderlich sein, ist aber regelmäßig keine AKI, sondern häusliche Krankenpflege.
Was Betroffene lernen können:
Anträge sollten realistisch und rechtlich sauber formuliert werden.
Überzogene Anträge (AKI statt HKP) schwächen die eigene Position.
Schulbegleitung setzt grundsätzliche Beschulbarkeit voraus
VG München, Beschluss vom 13.08.2025 – M 18 E 25.4555
Schulbegleitung dient der Teilhabe an Schule, nicht der Herstellung von Beschulbarkeit.
Ist ein Schulbesuch selbst mit Unterstützung aktuell nicht möglich, kommen andere Hilfen vorrangig in Betracht.
Was Betroffene lernen können:
Im Antrag deutlich machen:
Das Kind kann Schule besuchen – aber nur mit Unterstützung.
Das Hilfeplanverfahren ist rechtlich zwingend
VG München, Beschluss vom 05.09.2025 – M 18 E 25.5252
Eine Ablehnung ohne ordnungsgemäßes Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII ist regelmäßig rechtswidrig.
Was Betroffene lernen können:
Immer prüfen (und rügen), ob ein Hilfeplangespräch durchgeführt, dokumentiert und ausgewertet wurde.
Schulbegleitung ist regelmäßig zeitlich zu befristen
VG Bayreuth, Beschluss vom 09.09.2025 – B 8 E 25.934
Gerichte entscheiden regelmäßig zeitabschnittsbezogen, meist schuljahresweise.
Was Betroffene lernen können:
Befristete Anträge sind oft erfolgversprechender als unbefristete Forderungen.
Zusammenfassende Leitlinien für Betroffene
Erfolgreiche Anträge auf Schulbegleitung zeichnen sich aus durch:
- klare Zuständigkeitsprüfung,
- konkrete Beschreibung des schulischen Alltags,
- Verknüpfung von Diagnosen mit Teilhabeeinschränkungen,
- Darlegung fehlender Alternativen,
- vollständigen Vortrag zu Eilbedürftigkeit und Finanzierung.
Die dargestellte Rechtsprechung zeigt deutlich: Schulbegleitung ist keine standardisierte Leistung, sondern stets das Ergebnis einer einzelfallbezogenen Bedarfsprüfung. Gerichte prüfen nicht, ob Schulbegleitung „hilfreich“ wäre, sondern ob sie rechtlich erforderlich, fachlich vertretbar und im konkreten Zeitpunkt alternativlos ist.
Für betroffene Eltern bedeutet das: Erfolg versprechend sind nicht möglichst umfangreiche Anträge, sondern klar strukturierte, sachlich begründete Anträge, die den schulischen Alltag des Kindes, die bestehenden Unterstützungsangebote und die konkreten Teilhabebeeinträchtigungen nachvollziehbar darstellen.
Zugleich machen die Entscheidungen deutlich, dass einstweiliger Rechtsschutz kein Ersatz für das Hauptsacheverfahren ist. Wer Schulbegleitung im Eilverfahren durchsetzen will, muss nicht nur den Bedarf, sondern auch die besondere Dringlichkeit und fehlende Alternativen überzeugend darlegen.
Der Überblick kann und soll dabei Orientierung geben – die rechtliche Bewertung im Einzelfall ersetzt er nicht.
Schreiben Sie mir gerne, wenn Sie rechtliche Unterstützung benötigen.



