Welche Qualifikation muss ein Schulbegleiter haben?

Anforderungen an die Schulbegleitung bei Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII

Wer als sorgeberechtigter Elternteil oder Vormund für ein Kind mit seelischer Behinderung Unterstützung durch einen Schulbegleiter beantragt, wird häufig dem Satz konfrontiert:

„Die eingesetzte Person muss eine qualifizierte Fachkraft sein.“

Doch was bedeutet das konkret?

Welche Voraussetzungen muss ein Schulbegleiter wirklich erfüllen, damit die Kosten vom Jugendamt übernommen werden?

Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 14.02.2024 (Az. 14 ME 128/23) bringt Licht ins Dunkel und klärt wichtige Fragen zur Qualifikation von Schulbegleitern im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII.

Schulbegleitung im Rahmen der Eingliederungshilfe – was gilt rechtlich?

Kinder mit seelischen Beeinträchtigungen haben nach § 35a SGB VIII Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gefährdet ist. Diese Hilfe kann auch in Form einer Schulbegleitung erfolgen – z. B. wenn ein Kind aufgrund von ADHS, Autismus oder FASD besondere Unterstützung im Schulalltag benötigt.

Der Rechtsrahmen ist dabei eindeutig: Schulbegleitung zählt zu den Leistungen der Teilhabe an Bildung (§ 112 SGB IX) – nicht zu den Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX. Das ist entscheidend, denn: Nur für Assistenzleistungen schreibt das Gesetz ausdrücklich eine qualifizierte Fachkraft vor. Für Schulbegleiter im Kontext der schulischen Eingliederungshilfe gilt diese strenge Regelung nicht.

OVG Lüneburg: Keine pauschalen Anforderungen an die Schulbegleitung

Im entschiedenen Fall hatte ein Kind mit Fetalem Alkoholsyndrom (FASD) bereits über ein Jahr erfolgreich mit einer Schulbegleiterin gearbeitet, die keine formale pädagogische Ausbildung hatte, aber als langjährig erfahrene Tagesmutter tätig war. Das zuständige Jugendamt verweigerte die Weiterfinanzierung – mit Verweis auf seine eigenen Vorgaben zur „fachlichen Qualifikation“.

Das OVG Lüneburg widerspricht dieser Praxis deutlich. Die Richter stellten klar:

Die Anforderungen an einen Schulbegleiter können nicht pauschal festgelegt werden. Entscheidend ist immer der individuelle Bedarf des Kindes.

Das bedeutet: Eine „qualifizierte Schulbegleitung“ ist nicht zwingend an einen bestimmten Berufsabschluss geknüpft. Die Frage ist vielmehr, welche Unterstützung das Kind konkret braucht – und ob die eingesetzte Person diese leisten kann.

Schulbegleiter Voraussetzungen: Was ist wirklich relevant?

Die Voraussetzungen für einen Schulbegleiter orientieren sich an:

  • der Art und Ausprägung der seelischen Behinderung,
  • dem festgestellten individuellen Unterstützungsbedarf,
  • der Eignung der konkreten Person im Hinblick auf diesen Bedarf.

Ob jemand Sozialpädagoge, Heilerziehungspfleger oder „nur“ eine erfahrene Tagesmutter ist, ist nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr muss die Person in der Lage sein, die Teilhabe am Unterricht zu ermöglichen – zum Beispiel durch Struktur, Sicherheit und emotionale Unterstützung. Dabei können auch praktische Erfahrungen, persönliche Bindung zum Kind oder Kontinuität im Schulalltag eine große Rolle spielen.

Was bedeutet das für Eltern und Pflegeeltern?

Für Familien bedeutet dieses Urteil eine wichtige Entlastung im oft mühsamen Umgang mit dem Jugendamt:

  • Pauschale Ablehnungen wegen fehlender „formaler Qualifikation“ lassen sich juristisch angreifen.
  • Eine individuelle Bedarfsfeststellung muss erfolgen – auch zur Klärung, ob wirklich eine Fachkraft erforderlich ist.
  • Der Einsatz bereits erfolgreicher Schulbegleiter darf nicht ohne genaue Prüfung beendet oder verhindert werden.

Insbesondere bei Pflegekindern, wie im entschiedenen Fall, dürfen die Pflegeeltern nicht verpflichtet werden, die Kosten einer Schulbegleitung selbst vorzustrecken – da sie dem Kind rechtlich nicht unterhaltspflichtig sind. Auch das hat das OVG deutlich gemacht.

Fazit: Anforderungen an Schulbegleiter sind individuell – nicht standardisiert

Die Entscheidung des Gerichts zeigt deutlich: Es gibt keine allgemeingültigen Anforderungen an die Schulbegleitung, wenn es um Leistungen nach § 35a SGB VIII geht. Der individuelle Bedarf und die konkrete Situation des Kindes stehen im Mittelpunkt – nicht die formale Ausbildung der Begleitperson.

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