Erfolgreich vor Gericht: Schulbegleitung auch an der Berufsschule durchsetzbar

Ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg bringt Bewegung in ein Thema, das viele Familien beschäftigt: Wann besteht ein Anspruch auf Schulbegleitung – und gilt dieser auch an weiterführenden Schulen oder in der Berufsausbildung?

Die klare Antwort: Ja. Und zwar auch dann, wenn das Jugendamt zögert oder auf später vertrösten will.

Eine Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung, sozialer Phobie und Depression wollte im Schuljahr 2024/2025 eine Berufsfachschule für IT besuchen. Fachärztlich war sie bereits seit längerem als seelisch behindert nach § 35a SGB VIII eingestuft. Die Ärzte betonten: Ohne eine verlässliche Begleitung werde sie den Schulbesuch nicht bewältigen können. Allein der Schulwechsel, neue Mitschüler:innen, unbekannte Lehrer, Pausenräume und Menschenmengen führten bei ihr zu massiven Ängsten.

Die Familie beantragte deshalb frühzeitig Schulbegleitung beim Jugendamt. Doch: Es geschah – nichts. Der Antrag wurde nicht entschieden. Das Jugendamt verwies auf „spätere Hospitationen“ und stellte in Aussicht, den Bedarf erst nach Schulbeginn festzustellen.

Das konnte die Familie nicht akzeptieren. Sie beantragte beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung. Das Ergebnis: voller Erfolg.

Was hat das Gericht entschieden?

Das Verwaltungsgericht Würzburg verpflichtete den Jugendhilfeträger, der Antragstellerin eine Schulbegleitung ab dem ersten Schultag zur Verfügung zu stellen – für alle Unterrichtsstunden, Pausen und unterrichtsfreien Zeiten. Und zwar vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag, längstens bis Schuljahresende.

Die Richter und Richterinnen machten deutlich:

  • Die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII lagen eindeutig vor.
  • Die Teilhabebeeinträchtigung an Bildung war klar erkennbar – nicht erst nach Hospitation, sondern bereits im Vorfeld.
  • Das Zögern des Jugendamts war nicht gerechtfertigt.
  • Die Schulbegleitung war die einzige geeignete Maßnahme, um den Schulbesuch zu ermöglichen.
  • Ein weiteres Zuwarten sei der Schülerin nicht zumutbar.

Besonders eindrücklich: Das Gericht erkannte an, dass die bisherige Schulfreundin der Schülerin faktisch die Rolle einer Schulbegleitung übernommen hatte. Ohne diese vertraute Bezugsperson – und ohne professionelle Unterstützung – drohte der Schülerin sozialer Rückzug, Schulvermeidung und schlimmstenfalls der Abbruch ihrer Ausbildung.

Was bedeutet das für Sie als Eltern oder Betroffene?

Dieses Urteil stärkt die Rechte von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Belastungen – besonders beim Übergang auf weiterführende Schulen oder in die Ausbildung. Die wichtigsten Punkte, die Sie mitnehmen können:

Schulbegleitung ist auch in der Berufsausbildung möglich

Egal ob Berufsfachschule, Fachoberschule oder duale Ausbildung – wenn Ihr Kind seelisch behindert ist und ohne Unterstützung am Schulunterricht nicht teilnehmen kann, besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfe.

Das Jugendamt darf nicht einfach abwarten

Ein häufiger Fehler in der Praxis: Jugendämter fordern erst eine Hospitation oder „abwarten, wie es läuft“. Das ist rechtswidrig, wenn der Bedarf bereits durch ärztliche Gutachten klar belegt ist. Sie haben Anspruch auf Rechtssicherheit vor Schulbeginn.

Eltern dürfen auf ihrer Perspektive bestehen

Viele Eltern fühlen sich im Jugendhilfesystem klein gemacht – dabei sind sie und ihre Kinder die Experten und Expertinnen für ihre Lebensrealität. Dieses Urteil bestätigt: Es lohnt sich, für den eigenen Standpunkt einzustehen.

Gerichtliche Hilfe ist möglich – und oft erfolgreich

Wenn das Jugendamt verzögert, ablehnt oder vertröstet, kann ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz helfen. Die Hürde ist nicht unüberwindbar – mit guter fachlicher Begleitung lässt sich viel erreichen.


Mein Tipp als Fachanwältin für Sozialrecht

Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind Anspruch auf eine Schulbegleitung hat – ob in der Grundschule, in der Oberstufe oder an der Berufsschule – warten Sie nicht zu lange.

Holen Sie sich Unterstützung bei der Antragstellung. Lassen Sie sich nicht durch pauschale Ablehnungen oder ausweichende Formulierungen entmutigen. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist es wichtig, den Bedarf konkret zu schildern und fachärztlich gut zu untermauern.

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